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Die Sache mit dem Blutbild...

Aktualisiert: 8. März

"Mein Pferd hat zu wenig Zink im Blutbild, da muss man doch dringend was zufüttern!"


Na, kommt dir dieser Satz bekannt vor? Die ausreichende Versorgung mit Nährstoffen ist für die Gesunderhaltung und die Leistungsfähigkeit deines Pferdes von großer Bedeutung. Dahingehend ist es absolut verständlich, sich in regelmäßigen Abständen mithilfe eines Blutbilds davon überzeugen zu wollen, dass der Versorgungszustand in Ordnung ist oder aber zumindest Mängel oder Überversorgungen erkennen und beheben zu wollen. Vielleicht hatte dein Pferd auch bereits einen diagnostizierten Mangel und du möchtest nun überprüfen, ob alles wieder im grünen Bereich ist?


Doch leider habe ich heute eine schlechte Nachricht für Dich: Blutbilder "können" gar nicht so viel, wie wir oftmals glauben - zumindest nicht im Hinblick auf die korrekte Beurteilung der Nährstoffversorgung deines Pferdes. Tatsächlich sind nur wenige der dort ausgewiesenen Werte geeignet, um daraus verbindliche Rückschlüsse zu ziehen. Dies bestätigen inzwischen mehrere Studien und Untersuchungen.


Doch warum ist das so?


Blut dient dem Körper in erster Linie als Transportmedium und nicht als Speicher. Untersuchen wir nun also das Blut, so wissen wir nur, was der Körper gerade transportiert, nicht aber, was er tatsächlich eingelagert hat.


Hinzu kommt, dass der Pferdekörper einige der Mineralstoffgehalte im Blut recht konstant hält, während andere stark schwanken. So kann ein Wert früh morgens völlig im Normalbereich sein, während er einige Zeit später eine Abweichung zeigt. Je nachdem wann wir das Blut abnehmen würden wir nun also zufüttern, obwohl der Körper prinzipiell in gar keinem Mangelzustand ist.


Im Übrigen ist der Pferdekörper sowieso ein kleines Wunderwerk: Als Fluchttier, welches es sich nicht leisten kann geschwächt zu sein, ist das Pferd in der Lage, unpassende Versorgungslagen über einen längeren Zeit problemlos auszugleichen indem es Reserven mobilisiert. Das bedeutet, dass der Körper in Mangelsituationen Nährstoffe aus dem Gewebespeicher entnimmt und verwertet. Somit treten erst bei langfristigen, extremen Mängeln überhaupt Hinweise im Blutbild auf.


Auch Rasse, Gesundheitszustand und sogar die Haltungsform können Einfluss auf die Nährstoffgehalte im Blut nehmen: So kann ein Pferd mit einer Stoffwechselerkrankung wie beispielsweise PPID tendenziell höhere Zink-Werte im Blut aufweisen als ein gesundes Tier. Bei einem Pferd, welches einen Parasitenbefall aufweist kann ein Eisenmangel im Blutbild sichtbar sein - ursächlich ist hier aber nicht dass das Pferd zu wenig Eisen bekommt.


Du siehst schon: Eine Supplementierung von Nährstoffen nur aufgrund des Blutbilds vorzunehmen, kann nicht nur zu unnötigen Kosten und Belastung für den Pferdekörper führen, sondern auch dazu, dass sich gesundheitliche Symptome nicht verbessern (können), da die Ursache gar nicht in der Nährstoffversorgung an sich zu suchen ist.


Eine kleine gute Nachricht habe ich dennoch: Es gibt noch Werte, auf die wir uns verlassen können. Dies betrifft jedoch tatsächlich nur die Parameter Phosphor und Selen. Die Plasmawerte für anorganischen Phosphor unterliegen - bei gleichzeitiger ausreichender Calcium-Versorgung - wenig Schwankungen und zeigen sich bei ausreichender Versorgung im Bereich der Normbereiche. Sie werden somit recht verlässlich ausgewertet. Auch die Serum- bzw. Plasmagehalte an Selen spiegeln die Versorgungssituation im Körper gut wieder. Veränderungen in der Selen-Zufuhr, z.B. aufgrund einer Futterumstellung werden innerhalb von wenigen Tagen im Serum reflektiert. Da gerade Selen-Überversorgungen schnell toxisch wirken können, ist bei erhöhten Selen-Werten eine Kontrolle in jedem Fall ratsam.


Wenn wir das alles nun im Hinterkopf behalten, ist es für mich nicht verständlich, wieso ich als Futterberater nun lediglich aufgrund eines Blutbildes Ernährungstipps oder gar Produktempfehlungen aussprechen sollte.


Für mich dient das Blutbild lediglich als Hilfsmittel im Rahmen der Gesamtbeurteilung. Ja, es kann dabei helfen Erklärungen zu finden - gerade dann wenn ein Pferd akut krank oder symptomatisch ist. Dazu gehört jedoch noch so viel mehr: Vom Gesundheitszustand angefangen, über den Haltungs- und Bewegungsrahmen, die Vorgeschichte des Pferdes sowie ggf. auch die Rücksprache mit anderen, das Pferd behandelnden Experten wie Tierärzten, Physiotherapeuten und Co.


Nach derzeitigem wissenschaftlichen Kenntnisstand ist das einzige verlässliche Tool zur Überprüfung der Versorgungslage eine korrekt durchgeführte Rationsbilanzierung - im Idealfall auf Basis einer aktuellen Raufutteranalyse. Nur so wissen wir tatsächlich, was das Pferd benötigt und was im Rahmen der aktuellen Ration davon tatsächlich auch im Pferd landet. Mithilfe von etwas Fachwissen rund um Wechselwirkungen, Bioverfügbarkeit der eingesetzten Stoffe sowie Futtermittelkunde lässt sich transparent nachweisen, ob und wenn ja, warum das Pferd minder- oder überversorgt ist.


Was solltest du nun also tun, wenn das Blutbild auffällig ist?


Grundsätzlich rate ich davon ab, auf "gut Glück" Blutbilder anfertigen zu lassen, wenn es hierfür keinen gesundheitlichen Anhaltspunkt und somit auch keine konkreten Zielvorgaben gibt. Nicht nur die Nährstoffwerte, auch viele der anderen Parameter können starken Schwankungen unterliegen. Und leider neigen wir Pferdebesitzer doch dazu, bei der kleinsten Auffälligkeit Angst zu bekommen. Dein Pferd wirkt gesund, hat glänzendes Fell, gute Hufe, ist leistungsbereit und lebensfroh? Toll! Genieße die Zeit mit deinem Pferd anstatt dich verrückt zu machen.


Liegt doch mal eine Auffälligkeit vor, so weißt du nun zumindest wie du die Nährstoffwerte zu deuten hast. Wenn du doch auf Nummer sicher gehen möchtest, dass dein Pferd ausreichend versorgt ist, dann bitte den Futterberater deines Vertrauens um Rat. Mithilfe einer Rationsüberprüfung lässt sich sicher schnell Licht ins Dunkel bringen.


Ich hoffe, dich mit diesem Beitrag etwas über den Mythos "Fütterung nach Blutbild" aufklären zu können.


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Du möchtest dein Pferd fundiert und nachvollziehbar mineralisiert haben? Kein Problem! Melde dich gerne bei mir und wir erarbeiten gemeinsam dein Futterkonzept - individuell & wissenschaftlich basiert.


Quellenangaben:
  • Pferdespiegel 2021.24: 113-118: Vervuert I. Wie gut reflektieren Spurenelemente im Serum die entsprechende Versorgung beim Pferd?

  • Pferdeheilkunde.30. 381-393.: Koeller, G., Gieseler, T., Schusser, G. (2014). Hematology and serum biochemistry reference ranges of horses of different breeds and age measured with newest clinico-pathological methods.

  • Veterinary sciences, 10(4), 295.: van Bömmel-Wegmann, S., Gehlen, H., Barton, A. K., Büttner, K., Zentek, J., & Paßlack, N. (2023). Zinc Status of Horses and Ponies: Relevance of Health, Horse Type, Sex, Age, and Test Material.

  • Tierarztliche Praxis. Ausgabe G, Grosstiere/Nutztiere, 49(6), 392–402.: Theiner, E., Weber, C., Müller, E., Venner, M., Finkler-Schade, C., & Vervuert, I. (2021). Effekte einer oralen Mangansupplementierung mit unterschiedlichen Verbindungen auf die Mangankonzentrationen in Vollblut und Serum von Stuten und Saugfohlen

  • Pferdefütterung 2020, M. Coenen, I. Vervuert, 265-270


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